Ein Abend, der unter die Haut ging: Geralf Pochop, einer der bekanntesten ostdeutschen Zeitzeugen aus der Punk-Szene der späten DDR-Jahre, ließ die Aula des Immanuel-Kant-Gymnasiums verstummen. Wirklich verstummen. Während sonst bei Vorträgen hier und da ein geflüstertes Gespräch zu hören ist, herrschte diesmal vollkommene Stille – eine Stille, die aus echter Aufmerksamkeit und Betroffenheit entstand.
Ein Zeitzeugenabend mit Geralf Pochop – großzügig unterstützt vom Förderverein des IKG
Pochop erzählte mit beeindruckender Offenheit von seiner Jugend im SED-Staat: zunächst hatte er kein Problem mit der DDR – bis zu dem Moment, in dem seine Vorliebe für Punk-Musik ihn ins Visier der Sicherheitsorgane brachte. Bereits mit 16 Jahren machte er Erfahrungen mit den harten Methoden des Staatssicherheitsdienstes: Verhöre, Einschüchterungen, wiederholte Verhaftungen und brutale Übergriffe. Allein sein Musikgeschmack genügte, um ihn immer wieder festzusetzen und zusammenzuschlagen.
Die Präsentation, anschaulich untermauert mit Originalfotos und Tonmaterial, zeigte eindrücklich, wie schnell man in der DDR zum „Staatsfeind“ erklärt werden konnte – ohne Straftat, allein aufgrund einer nonkonformen Lebensweise. Besonders erschütternd: Pochop musste sogar eine längere Haftstrafe in einer Zelle gemeinsam mit Schwerkriminellen absitzen. Diese Erfahrung zerstörte endgültig jedes Vertrauen in den Staat. Er begann, die Missstände öffentlich zu machen und sie medial zu bekämpfen. Am Ende blieb ihm nur die Ausreise.
Der KANT-Talk gewährte damit einen seltenen Einblick in eine zu DDR-Zeiten verfolgte Gruppe, über die man sonst wenig spricht und noch weniger aus erster Hand erfährt: junge Punks, die allein wegen ihres Musikgeschmacks und Lebensstils ungefragt zu politischen Gegnern erklärt wurden. Ihre Geschichten zeigen, wie schnell kulturelle Ausdrucksformen in einer Diktatur zu vermeintlichem Widerstand stilisiert werden – und welchen Preis die Betroffenen dafür zahlen mussten.
Ein herzlicher Dank gilt unserem Förderverein, der diesen eindrucksvollen Abend großzügig ermöglicht hat.
